Der Bund der Drachenlanze 11 - Der Zauber des Dunkels by Tina Daniell

Der Bund der Drachenlanze 11 - Der Zauber des Dunkels by Tina Daniell

Autor:Tina Daniell [Daniell, Tina]
Die sprache: deu
Format: epub


Kapitel 6

Gefangen und ausgesetzt

Tagelang trieben sie dahin. Da Sturm und Caramon keine Ahnung hatten, wo sie waren, war jeder Versuch, in eine bestimmte Richtung zu schwimmen, sinnlos. Außerdem waren die Seile, die sie an den gesplitterten Mast banden, vom Salzwasser geschrumpft. Ihnen blieb nichts weiter übrig, als das Kinn über die Wellen zu halten und mit den Beinen zu treten. Der Himmel blieb grau und bleiern, und Dunst bedeckte alles. Der Nebel war undurchdringlich. Sie sahen überhaupt nichts.

Obwohl nie die Sonne schien, drang diffuses Licht durch den Dunst, und es war heißer als im Hochsommer in Solace. Die Hitze laugte sie aus wie eine nasse Decke, verbrannte Haut und Augen und dauerte gnadenlos an.

Die Nacht brachte nur wenig Linderung. Sie hätten den Einbruch der Nacht und Erlösung von der Hitze begrüßt, wenn sie dadurch nicht in tiefste Finsternis getaucht worden wären. Sie konnten kaum einander erkennen, viel weniger die Zwillingsmonde, Lunitari und Solinari. In diesem Teil der Welt, wo immer sie sich auch befanden, war der Himmel grau und drückend.

Das Wasser selbst brachte nicht viel Trost. Die brackige, braune, fast schlammige See blieb selbst bei Nacht unangenehm warm und hatte einen stechenden Geruch an sich. Die Wellen schlugen hoch, obwohl wenig Wind ging. Es war beinahe, als ob unter der beständig aufgewühlten Oberfläche irgendwelche Turbulenzen herrschten.

Seit zwei Tagen hatten sie kein Zeichen von Leben gesehen, kein Schiff am Horizont, keinen Vogel, keinen Fisch. Seit zwei Tagen hatten sie weder gegessen noch getrunken noch geschlafen. Seit zwei Tagen strampelten und paddelten sie, so gut sie konnten, an dem Mast hängend weiter, doch Stärke und Willenskraft ließen langsam nach.

»Es könnte schlimmer sein«, hatte Caramon am ersten Tag gesagt.

»Wie?« hatte Sturm gefragt.

»Es könnte Flint sein statt mir«, hatte Caramon entgegnet und sich zu einem Grinsen gezwungen. »Er ist der einzige, den ich kenne, der noch schlechter schwimmt als ich.«

Sturm hatte das Grinsen erwidert. Er hatte sich entschlossen, nicht an seinen Körper zu denken, der von Hunger und Schmerzen geschwächt war. Dennoch begann er zu zweifeln, wieviel länger sie beide noch überleben konnten.

»Ich frage mich…«, setzte Sturm an.

»Was?« fragte Caramon.

»Wo sind wir?«

Am dritten Tag wurde der Dunst irgendwann noch dichter, und gegen Mittag konnten sie kaum vier Schritt weit sehen, wo sie hintrieben. Sturm und Caramon warfen sich nervöse Blicke zu, als sie ein Knarren und Stöhnen vernahmen. Schrille Schreie gellten durch die Luft. Gebrochene Balken und Plankenstücke und schwere, wassergetränkte Klumpen Riementang schaukelten auf einmal um sie herum im Wasser.

Sturm lehnte sich vom Mast weg und konnte etwas Tang mit dem Mund erreichen.

»Was machst du denn?« fragte Caramon entgeistert.

»Ist genießbar«, sagte Sturm, der nur noch ein Flüstern herausbrachte. Er kaute angestrengt. Es war eßbar, obwohl es durch seine rohe, gummiartige Konsistenz schlimmer als geschmacklos war. »Wer weiß, wann wir wieder etwas Anständiges zu Essen bekommen.«

Caramon dachte einen Augenblick darüber nach. Dann stürzte er sich, so gut er konnte, auf den nächsten Haufen, der vorbeitrieb, und erwischte auch etwas von den rotbraunen, schmutzigen Pflanzen. Möglichst ohne nachzudenken, kaute der Zwilling entschlossen darauf herum, konnte den Tang jedoch nicht herunterwürgen.



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